Papier, Zellulose, Gelatine und Celluloid
Die ersten fotografischen Bilder entstanden auf diversen unterschiedlichen Metalloberflächen – und im Gegensatz zur Daguerreotypie, die ein Unikat war – suchten die Tüftler und Erfinder nach Wegen und Verfahren der Vervielfältigung.
Es dauerte nicht lange bis das ideale Medium zur Herstellung unendlich vieler Positivabzüge gefunden wurde: Papier.
Papier besaß entscheidende Vorteile und Eigenschaften gegenüber den herkömmlichen Trägermedien: Papier war günstig, massentauglich und verfügte über entsprechende physikalische Eigenschaften für noch effizientere Herstellungsverfahren.
Die Grundlage für das Fotopapier bildete bis weit ins 19. Jahrhundert Baumwoll- und Flachslumpen, importiert aus den gängigen Produktionsstätten rund um den Globus und vordergründig aus den Vereinigten Staaten mithilfe von Sklavenarbeit.
Durch die Erfindungen von Maschinen zur industriellen Herstellung und Verarbeitung von Baumwolle wurde nicht nur der Baumwollanbau effizierter, sondern beschleunigte die massive und exzessive Bewirtschaftung von Landflächen durch Entwässerung von Feuchtgebieten, deren Ökosysteme eine wichtige Rolle als Kohlenstoffspeicher spielen – wodurch der Klimawandel und die Sklaverei stärker denn je vorangetrieben wurde.
Die Baumwolle wurde nach Europa verschifft, zu Kleidung verarbeitet, getragen, anschließend von armen Lumpensammlern/Tagelöhnern an Papiermühlen verkauft, wo diese Lumpen mit giftigen Chlorverbindungen gebleicht zu einer Masse verarbeitet wurden.
Die rasant wachsende Nachfrage nach Papier und der Mangel an Baumwolle führten zu einem Umdenken und Suche nach Alternativen. Das in Deutschland perfektionierte Holzschliffverfahren war die Lösung und die Antwort. Bei dem Verfahren wird das Holz unter anderem in Schwefelsäure gekocht und so in einzelne Zellulosefasern zerlegt.
Die Papierherstellung trug jahrzehntelang zur massiven Wasserverschmutzung bei und setzte große Mengen von Schwefelsalzen und anderen Giftstoffen willkürlich ohne Kontrolle und Auflagen in die Umwelt frei.
Dieses Holzschliffverfahren führte übrigens auch zur Entdeckung von Zellulosenitrat, dem ersten synthetischen Kunststoff, der zur Herstellung von Celluloidfilm für Fotografien und Filme verwendet wurde. (Somit zählt die Fotopapier-Industrie zum Wegbereiter und Erfinder von Plastik.)
Die Fotopapier-Industrie nutzte außerdem Substanzen tierischen Ursprungs wie Albumin und Gelatine, die aus industrieller Tierhaltung und Schlachtung stammten. Ende des 19. Jahrhunderts soll ein einziger Papierproduzent in Dresden für die Albumin-Beschichtung sechs Millionen Eier pro Jahr verbraucht haben. Gelatine wurde für lichtempfindliche Beschichtungen sowohl bei Celluloid als auch bei Fotopapier verwendet.
Für die Herstellung und Beschichtung von Fotopapier und Film verarbeitete Eastman Kodak bis 1999 jährlich über 30 Millionen Tonnen Rinderknochen.
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