Die Fotografie und die industrielle Revolution

Die Fotografie ist und war immer ein Wegbegleiter der industriellen Revolution, Mitgestalter/Gläubiger des technischen Fortschritts und Profiteur von der daraus entstanden technischen und automatisierten Entwicklungen: Die Fotografie ist gleichermaßen Kritiker und Nutzniesser.

© “Silver Mining Boom Town, 1879” by Thiophene_Guy is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Fossilierte Sonnenstrahlen (Auszüge aus dem Katalog „Mining photography“*)
Als Nicéphore Niépce 1827 das älteste erhaltene fotografische Bild herstellte, hatte er zuvor zusammen mit seinem älteren Bruder Claude 10 Jahre lang an der Erfindung des ersten Verbrennungsmotors der Welt gearbeitet. Niépce war Ingenieur und Erfinder und ganz verhaftet im damaligen Zeitgeist von der Denkweise und Glaube an die technische und industrielle Revolution.
Dieser Motor der Brüder Niépce nutzte als Brennstoff eine Mischung aus Kohle und Harz und in der Weiterentwicklung durch „weißes Erdöl“ bzw. Petroleum ersetzt. Damit gelang es den Brüdern immerhin ein 900 Kilo schweres Boot stromaufwärts zu bewegen.
Einen kommerzieller Erfolg des Motors blieb aus diversen Gründen aus: Konstruktionsfehler, ein Mangel an finanziellen Mitteln und Claudes früher Tod.

Dafür trug Niépce durch die Erfindung der Fotografie zum Erfolg des fossilen Kapitalismus und der Folgen bei. Die wesentliche Innovation und Durchbruch bestand im Einsatz von fossilen Brennstoffen: Durch den Einsatz von Bitumen von Judäa aus der Gegend am Toten Meer war Niépce in der Lage ein Bild auf einer Zinnplatte zu fixieren. Die erste Fotografie wurde somit in einen fossilen Brennstoff geätzt und fixiert. Niépce stand mit seinem wissenschaftlichen und unternehmerischen Interessen an Motoren und Bildern nicht allein da.


In England experimentiere zur selben Zeit William Henry Fox Talbot mit Motoren und meldete weitere Patente für Motoren an. Derselbe William Henry Fox Talbot, der für seine bahnbrechende Erfindung des Kalotypieverfahrens im Jahr 1840 bekannt wurde (auf Papier beruhendes Negativ / Positiv-Verfahren zur unbegrenzten Herstellung gedruckten Positiven). Diese Patente mit dem Titel „Fortschritte bei der Erzeugung oder Gewinnung von Bewegungskraft“ beinhalteten verschiedene Formen zur Erzeugung von Kraft durch Einsatz von sogenannter „Kohlensäure“ – in der heutigen Zeit sprechen wir von Kohlendioxid.

Der Philosoph Patrick Maynard hat angemerkt, dass die Fotografie, wenn man sie im technologischen Kontext ihrer Entwicklung betrachtet, sehr deutlich als eine Art Motor begriffen werden könnte: ein „Motor der Visualisierung“, keine bloß passive Form objektiver Darstellung, sondern eine Maschine, die unsere Umwelt veränderte, genau wie die Dampfmaschine.*

Fossile Energien und Fotografie waren also von ihren Anfängen an eng verbunden, sie entwickelten sich in enger Nachbarschaft und Bezugnahme.
Talbot selbst investierte in Silberminen, außerdem war er beteiligt an der Entwicklung von Druckprozessen, die Gelatine auf tierischer Basis einsetzten. Eben in dieser Zeit begann das fossile Kapital, die Natur zu verändern, indem es der Atmosphäre immer mehr Kohlendioxid zuführte.

In der Konsequenz ist die fotografische Industrie mitverantwortlich an dem Raubbau der Natur.
Mehr Details zur Grundlage des fotografischen Bildes: Edelmetall Silber

*Boaz Levin, Esther Ruelfs, Tulga Beyerle: „Mining Photography, Der Ökologischer Fussabdruck der Bildproduktion“; erschienen bei Spector Books, 2022, ISBN 978-3-95905-632-8

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